Die Obertonreihe

Die stehende Welle

Wenn durch das Mundstück Luft in das Saxophon geblasen wird, passiert so ungefähr das, was man beobachten kann, wenn man einen Stein ins Wasser wirft: Es gibt Wellen. Und am Ende des Instruments wird die Welle reflektiert und überlagert sich mit der ursprünglichen. Durch mehrere Überlagerungen der an den Rohrenden reflektierten Schallwellen entsteht etwas, was man eine stehende Welle nennt, ihre Resonanz-Frequenz wird durch die Länge des Rohres bestimmt. Die Klappen des Saxophons dienen dazu, die Länge der schwingenden Luftsäule durch Schließen zu verlängern, oder durch Öffnen zu verkürzen. Doch zurück zur stehenden Welle, nochmal etwas genauer. Dadurch, daß die Schallwellen an den Rohrenden reflektiert werden, überlagern sich die einzelnen Frequenzanteile und löschen sich teilweise gegenseitig aus oder verstärken sich. Nach ein paar Läufen das Rohr entlang hin und zurück bleiben nur noch bestimmte Frequenzen übrig: befindet sich die Frequenz der Schwingung mit der Rohrlänge in Resonanz, bilden sich an festen Punkten im Rohr Schwingungsmaxima und -minima. Die Maxima sind die Orte, an denen maximale Luftbewegungen auftreten, sie werden Schwingungsbäuche genannt. An den Minima bewegen sich die Luftmoleküle nur minimal, sie heißen Schwingungsknoten. Sichtbarmachen kann man die Schwingungsbäuche und Knoten, indem man etwas Sägemehl in ein Glasrohr füllt und die stehende Welle durch einen Lautsprecher am Ende des Rohrs anregt. Dann sieht man die Bäuche und Knoten deutlich, weil das Sägemehl mehr oder weniger durch die Luft geschleudert wird. Der tiefste Ton, den man so erzeugen kann, hat einen Schwingungsbauch an jedem Ende des Saxophons und ein Minimum genau in der Mitte.
Das Saxophon hat ein konisches Rohr. Wenn man aber die Wellengleichung für ein konisches Rohr löst, ergeben sich die gleichen Wellenlängen und Frequenzen wie für ein zylindrisches Rohr. Die Länge des zylindrischen Rohres ist aber die Länge des gesamten Konus, also bis zu dem Punkt verlängert, wo die Seitenwände zu einem Punkt zusammenlaufen. Die Länge der schwingenden Luftsäule und die Frequenz der erklingenden Tons stehen über die Schallgeschwindigkeit in einem einfachen Zusammenhang. Für die tiefste mögliche Frequenz muss eine halbe Schwingungsperiode in die Röhre passen:

f = c / (2*l).

(1)

In dieser Formel ist c die Schallgeschwindigkeit, die bei etwas über 20°C ungefähr 346 m/s beträgt, l ist die Länge der schwingenden Luftsäule, und f ist die Frequenz des erklingenden Tons. Die Länge der schwingenden Luftsäule ist aber wie gesagt noch etwas größer als die Länge des Saxophons, da man
1. für die konische Form die Länge der "abgeschnittenen" Konusspitze mitrechnen muss, und
2. die Luft an den Enden noch ein Stückchen weit mitschwingt (eine Verlängerung um das 0,6-fache des Rohrradius).
Nach [ven79] haben die Saxophone folgende gemessenen und akustischen Längen.

Tabelle 1: Gemessene und akustische Längen der Saxophone

Saxophon

gemessene Länge

akustische Länge

Sopran

648 mm — 690 mm

833,1 mm

Alt

1014 mm — 1062 mm

1248 mm

Tenor

1441 mm — 1467 mm

1666 mm

Bariton

2138 mm

2496 mm

Bass

2930 mm

3332 mm

Der tiefste Ton auf dem Tenorsaxophon, der erklingt, wenn man alle Klappen geschlossen hält,  ist ein Bb0, weil das Saxophon ein transponierendes Instrument ist, klingt er als Ab mit einer Freqenz von 346/(2*1,666) = 103.8 Hz, also 103.8 Schwingungsperioden in der Sekunde. Mit etwas Übung lassen sich aber auch höhere Töne erzeugen, ohne eine einzige Klappe zu öffnen. Diese Töne nennt man Obertöne, alle zusammen ergeben die Obertonreihe. Die Frequenzen der Obertöne sind ganzzahlige Vielfache der tiefsten möglichen Frequenz aus der ersten Formel (1), also
 

f = n*c / (2*l).

n = 1, 2, 3, ...

(2)


 
Die ersten Obertöne

Für alle Töne der Obertonreihe muß weiter die Bedingung erfüllt sein, dass sie je einen Schwingungsbauch an beiden Enden des Saxophons haben, dazwischen kann jedoch mehr als ein Schwingungsknoten liegen. Die Obertonreihe wird anhand der zwischen den Enden liegenden Schwingungsknoten durchnumeriert. Auf der nebenstehenden Abbildung sind der Grundton (ein Schwingungsknoten zwischen den beiden Schwingungsbäuchen) und die beiden ersten Obertöne (zwei bzw. drei Schwingungsknoten zwischen den beiden Schwingungsbäuchen) dargestellt. Das Saxophon ist dabei etwas vereinfacht gerade dargestellt.

Mit diesem Wissen kann man sich die Frequenzen und damit die Tonhöhen aller Obertöne der Obertonreihe auf dem Saxophon ausrechnen. Die Werte sind in der folgenden Tabelle gezeigt.

Tabelle 2: Obertonreihe

Oberton

Frequenz/Hz

Ton (Bb)

Frequenz/Hz

Fehler/cent

1

103,8

Bb0

103,8

0,0

2

207,7

Bb1

207,7

0,0

3

311,5

F2

311,1

+2,0

4

415,3

Bb2

415,3

0,0

5

519,1

D3

523,3

-13,7

6

623,0

F3

622,3

+2,0

7

726,8

Ab3

740,0

-31,2

8

830,6

Bb3

830,6

0,0

9

934,4

C4

932,3

+3,9

10

1038,3

D4

1046,5

-13,7

11

1142,1

Eb4

1108,7

51,3

12

1245,9

F4

1244,5

+2,0

13

1349,7

G4

1396,9

-59,9

14

1453,6

Ab4

1480,0

-31,2

15

1557,4

A4

1568,0

-11,7

16

1661,2

Bb4

1661,2

0,0

Der in der Tabelle angegebene Fehler ist die Abweichung des Obertons von dem nächstliegenden Ton in der wohltemperierten Stimmung. Hier sind nochmal die ersten 16 Töne der Obertonreihe in Notenschrift:
Noten der Obertonreihe
Wie Tabelle 1 zeigt, lassen sich die Töne der Obertonreihe unterschiedlich gut sauber intoniert spielen. Man muss die Tonhöhe also entweder mit dem Ansatz korrigieren, oder zusätzliche Klappen öffnen oder schließen, um die Intonation richtig hinzubekommen.
Das ist eine gute Gelegenheit, auf eine Übung zur Bildung eines gleichmäßigen Tons hinzuweisen: Versuch, die ersten Obertöne und die "normal" gegriffenen Töne mit einem möglichst ähnlichem Klang zu spielen!

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(C) 2003 Richard Schwalbach